Der digitale Nachlass

Der digitale Nachlass

In Zeiten der Digitalisierung und sozialer Medien ist nun in Streit, was mit den Benutzerkonten und den Daten etwaiger Verstorbener Nutzer passiert. Haben Anbieter wie Facebook und Co. das Recht, die Seite zu sperren und auch die Erben von den Daten auszuschließen?

Was passiert mit meinem Benutzerkonto, wenn ich sterbe?

Es stellt sich die zentrale Frage, ob die Daten einer verstorbenen Person wie alle anderen Nachlassgegenstände auf die Erben übergehen oder ob die Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen gesperrt werden dürfen.

Diese brandaktuelle Frage klärte der BGH nun mit Urteil vom 12.07.2018.

In dem konkreten Fall klagte die Mutter eines im Alter von 15 Jahren verstobenen Mädchens, weil Facebook die Profilseite des verstorbenen Mädchens in einen sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte. Der Zugang mit den angegebenen Nutzerdaten ist sodann nicht mehr möglich. Die Eltern des Mädchens beanspruchten Zugang zu dem Profil und insbesondere auch zu den Kommunikationsinhalten. Sie wollten hierdurch unter anderem Klarheit darüber erlangen, ob es sich um einen Suizid handelte.

Die Vorinstanzen entschieden zunächst zugunsten, später zulasten der Mutter.

Erben haben Anspruch auf Zugang

Der BGH gab der Mutter und Erbin recht.

Der Nutzungsvertrag, den das verstorbene Mädchen mit dem Anbieter abgeschlossen hatte, geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben, also hier die Eltern über.

Gesamter Nachlass geht auf Erben über

Diese Gesamtrechtsnachfolge ist wesentliches Element des Erbrechts. Sämtliche Nachlassgegenstände, hierzu gehören auch Verträge, gehen von dem Verstorbenen auf den oder die Erben über. Sie treten vollständig in die Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein.

In der Folge sind nach dem Tod des Mädchens deren Eltern Erben und damit Vertragspartner des Nutzungsvertrages geworden. Sie dürfen nunmehr über die Daten entscheiden und haben uneingeschränkten Zugang zu dem mit dem Nutzungsvertrag verbundenen Benutzerkonto.

Klauseln zum sogenannten Gedenkzustand unwirksam

Auch eine Klausel im Nutzungsvertrag änderte an diesen Grundsätzen nichts. Der Anbieter hatte eine Klausel in den Nutzungsvertrag integriert, wonach ein Benutzerkonto automatisch nach dem Tod des Nutzers in den sogenannten Gedenkzustand versetzt wird und ein Zugriff auf das Benutzerkonto nicht mehr möglich ist. Die Klauseln waren nicht wirksam in den Vertrag einbezogen, hielten aber auch einer Überprüfung wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Nutzers nicht stand.

Der Nutzungsvertrag ist auch deshalb vererbbar, weil er nicht von höchstpersönlicher Natur ist. Verträge, die nur in einer konkreten Person bestehen können, sind nicht vererbbar.

Digitale Inhalte sind vergleichbar mit Briefen und Tagebüchern

Schlussendlich verglich der BGH die Inhalte des Benutzerkontos, also beispielsweise private Nachrichten an andere Nutzer, mit Briefen und Tagebüchern und urteilte, dass die Inhalte dieser Nachrichten nicht anders zu bewerten seien. Wenngleich es sich hier um höchstpersönliche Inhalte handelt, wird für die Gesamtrechtsnachfolge nicht zwischen vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten unterschieden. Es darf daher keinen Unterschied zwischen einem vererbten Brief oder einem vererbten Tagebuch und digitalen Inhalten geben.

Auch das Fernmeldegeheimnis und Datenschutzrechte stehen dem Anspruch der Erben nicht entgegen.

Nunmehr besteht Klarheit, dass Erben auf die Benutzerkonten von verstorbenen Personen zugreifen können dürfen und nicht vom Anbieter sozialer Medien zurückgewiesen werden können.

(BGH Urteil vom 12.07.2018 – AZ: III ZR 183/17)

Jakob

Rechtsanwältin